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Glücksmomente
51. Rennsteig-Supermarathon
 25. Mai 2024      3 Kommentare

Vorabend

Was waren gleich die Schlussworte beim letzten Mal auf der Gepäckwiese in Schmiedefeld? Natürlich halte ich dem Rennsteig die Treue seit der Erst-Infektion 2018, der Gutsmuths-Rennsteiglauf war bisher immer ein sehr berauschendes Erlebnis! Allerdings wage ich zur diesjährigen Ausgabe mal das Abenteuer Supermarathon und bin deshalb Freitag-Abend im Startort Eisenach. In einer Nebenstraße findet sich ein zur Übernachtung geeigneter Parkplatz direkt am 1km-Schild der morgigen Strecke, alle passenden Hotels waren bei der Anmeldung vor einem Jahr leider bereits restlos ausgebucht. Bevor es gegen 22 Uhr mit Schlafsack und Isomatte im Renault Megane Grandtour gemütlich wird, erwartet mich noch die Startnummern-Ausgabe und stimmungsvolle Kloßparty am Markt.

Wettkampf


OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA]
Das Handy reißt mich viertel 6 aus dem Schlaf, immerhin ist es schon hell und beim Käsestullen-Frühstück mit einer Thermoskanne Tee fährt der Körper langsam hoch. Jetzt noch in die Laufsachen geschlüpft, Gürteltasche, Handy und Schlüssel eingesteckt und dann fix runter zum Markt. Hier warten bereits gut 1800 Läufer dicht gedrängt hinter dem Startbogen, ich stelle mich hinten rein und ein paar Minuten später fällt pünktlich 6 Uhr der Startschuss. Vor uns liegen nun 74km mit 1800Hm (bergauf) sowie insgesamt 14 Verpflegungspunkten, es wird ein Fest! Zunächst geht es auf der Karlstraße ein paar hundert Meter locker durch die Altstadt, doch bereits am Hotel Kaiserhof beginnt der 25km-Anstieg vorbei am Burschenschafts-Denkmal hoch zum Inselsberg. Kurz hinter dem ersten VP Waldsportplatz (7km/40m) münden wir östlich von der Hohen Sonne auf den Rennsteig, nun wird das Profil etwas abwechslungsreicher mit flacheren Passagen und bietet sogar einige Fernblicke. Zwischenzeitlich hat sich auch das Feld ausreichend entzerrt, die anfänglichen Stop&Go-Phasen an engen Stellen sind vorbei und jeder kann sein gewünschtes Tempo anschlagen.


Ein paar Minuten nach der zweiten VP Ascherbrück (12km/1h14m) werde ich auf mein 2022er Rennsteiglauf-Shirt angequatscht, wir kommen ins Gespräch, die Chemie mit Tobias stimmt und schon entwickelt sich eine angenehme Unterhaltung die von den nächsten 40km bis zum Grenzadler relativ gut ablenkt. Am VP Glasbachwiese (18km/1h48m) gibt’s den ersten Haferschleim, dazu noch Tee, Banane und eine Zitronenscheibe mit Salz – das wird die favorisierte Ernährung über den heutigen Tag. Gut zwei Stunden nach Start liegt nun der Große Inselsberg vor uns, der finale Anstieg im mystischen Nebel weckt Erinnerungen an die Oktober-Wanderung mit Martin und die sehr steilen Passagen zwingen uns erstmalig zum Gehen. Oben angekommen (25km/2h40m) gibt’s leider mitten in den Wolken nicht viel zu sehen und der Abstieg zum VP Grenzwiese ist definitiv nicht hilfreich für die Knie. Dafür spulen sich die anschließenden leicht welligen 15km geradezu locker ab, zwischendurch feiern wir am VP Ebertswiese (37km/3h50m) und der legendären Schutzhütte Strecken-Halbzeit mit einem zusätzlichen leckeren Schmalzbrot. Nach dem knackigen Anstieg am Sperrhügel kommen mir die kurzen Erfrischungs-Pausen an den folgenden beiden Stationen Neuhöfer Wiesen (45km/4h47m) und Gustav-Freytag-Stein (51km/5h25m) dann sehr gelegen, das Loslaufen kostet auch schon deutlich mehr Überwindung wobei mittlerweile jeder Schritt meinen persönlichen Streckenrekord neu definiert.


Zudem meldet sich seit ein paar Kilometern die Verdauung, glücklicherweise befindet sich am VP Grenzadler (55km/5h45m) entsprechende Infrastruktur. Mit etwas Wehmut lasse ich Tobias laufen und lege eine Toilettenpause ein. Wie befreit bin ich nach ein paar Minuten auf der Strecke und gleich mal wieder im Wandermodus über Stein 16 zum Rondell. Eine grobe Vorstellung vom weiteren Rennsteig-Profil habe ich ja noch vom Langlauftag 2017 mit Felix und Arthur, trotzdem wirken die Anstiege steiler und ich verfalle öfter in die verführerischen Gehpausen. An der VP Sommerwiese (59km/6h27m) wird schon der höchste Punkt der Strecke am Großen Beerberg (62km/6h48m) angekündigt, die Getränke des dortigen inoffiziellen VP Schnaps ignoriere ich aber lieber. Theoretisch geht es ab hier nur noch bergab, so richtig aufs Gaspedal kann ich jedoch trotz Gefälle nicht mehr drücken, die Waden-Muskulatur ist spürbar kraftlos. Eine aufbauende Stärkung mit Banane und Haferschleim gönne ich mir am VP Schmücke (65km/7h10m) und einen abschließenden Energie-Kick mit Vita-Cola an der letzten VP Kreuzwege (69km/7h39m). Nun nehmen auch die anfeuernden Wandergruppen zu, am Skihang öffnet sich das Panorama auf Schmiedefeld und die eisernen Reserven werden freigesetzt. Dann ist endlich der Zielbogen in Sichtweite, übersprudelnde Glücksgefühle, Gänsehaut und Tränen sorgen für ein unbeschreibliches Finish nach 74km und 8h4m28s, yeah! Gizen kommt fünf Minuten später von der Marathon-Strecke dazu, gemeinsam entspannen wir auf der Gepäckwiese mit Hefeweizen und Sonnenschein bevor mich der Bus-Shuttle gegen 16 Uhr zurück nach Eisenach bringt. Was für ein Wahnsinns-Erlebnis, ein Wiedersehen im Mai 2025 ist schon gebucht! :-)

Kommentare [3]

  1. Juja schrieb am 10. Juni 2024, 13:44 [#]

    Wahnsinn, Glückwunsch! Ich bin ja beeindruckt über alle, die das schaffen, umso mehr, wenn ich diejenigen kenne, was ja die Vermutung nahelegt, dass das eigentlich ganz normale Menschen sind… Hut ab!

  2. Micha schrieb am 10. Juni 2024, 14:42 [#]

    Ehrfurchtsvolles Verneigen vor Dir. Irre Leistung!

  3. Matthi schrieb am 11. Juni 2024, 09:28 [#]

    @Juja @Micha: vielen Dank euch beiden! Und ja, ich würde mich weiterhin als ganz normalen Menschen bezeichnen – mit einer kleinen Vorliebe für verrückte Dinge. ;-) Ist aber meistens reine Kopfsache, unsere Körper sind zu viel mehr fähig als wir im Alltag einfordern.