smigel.de
Glücksmomente
Nonstop-Radtour Jena-Zinnowitz
  2. August 2019      2 Kommentare

Prolog


OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA]
Mal wieder Zeit für was Verrücktes! Nachdem mich die letzte Ostsee-Radtour 2017 auf die Insel Rügen führte, dürfen es dieses Jahr wieder unter 500km sein. Da bietet sich doch Usedom an, wunderschöne Strände, herausgeputzte Seebäder und ganz wichtig: Anbindung ans Schienennetz für die Rückfahrt. Konkret optimiere ich im Vorfeld auf Basis eines erprobten Fahrrad-Routenplaners eine mir sinnvoll und möglichst direkt erscheinende Route nach Zinnowitz zusammen.

Fr/Sa, 02./03.08.: Jena – Zinnowitz [470km]

Ganz regulär bringe ich Arthur in den Kindergarten, prüfe nochmal mein Gepäck und starte dann um halb 9 bei angenehmen 17°C und bedecktem Himmel, sieht nach optimalen Bedingungen aus. Wie gewohnt bringt mich der Saaleradweg über Camburg und Bad Kösen nach Roßbach, dort zeigt der Tacho gut 40km und ich greife in die große Riegel-Auswahl. Bei Großjena steht die Querung der Unstrut an, es folgt der leichte Anstieg nach Markröhlitz und die Abfahrt über Lunstädt sowie den Runstedter See zurück ins Saaletal nach Meerseburg. Der Radweg entlang der B91 ist wie immer kein Genuss, dafür der kürzeste Weg nach Halle wo ich mir kurz vorm Riebeckplatz eine wohltuende Kaffeepause gönne. Anschließend muss ich heute zum ersten Mal das Navi konsultieren, um den Ausgang in Richtung Tornau zu finden. Auf der wenig befahrenen Landstraße geht es dann weiter vorbei an Brachstedt und Zörbig durch die Mosigkauer Heide nach Dessau, wo ich halb 4 eine größere Pause zum Getränke-Auffüllen und Kaffeetrinken einlege. Kurzzeitig erholt lasse ich Roßlau an der Elbe hinter mir und kämpfe mich durch den Hohen Fläming, wobei mir einige Ortschaften wie Streetz, Natho, Reetz und Reppinichen durchaus noch vom letzten Ostsee-Trip bekannt vorkommen. Bei Wollin gehts über die A2 und nach knapp 12 Stunden und 215km rolle ich durch Brandenburg an der Havel, am zentralen Neustädter Markt werden mit Hamburger und Pommes vom Schachtelwirt ein paar Energie-Reserven bei einer halbstündigen Pause aufgefüllt. Gut gestärkt schwinge ich mich gegen 21 Uhr wieder aufs Radl und verlasse die Stadt nach Norden. So langsam setzt die Dämmerung ein auf der Strecke über Marzahne und Buschow durch das Havelländische Luch, in Paulinenaue ist es um halb 11 nach gut 250km dann endgültig dunkel. Der hier beginnende Radweg auf der ehemaligen Bahnstrecke der Stillen Pauline hat leider schnell ein jähes Ende, weil die Brücke über den Havelländischen Kanal gebaut wird. Im Schein der Taschenlampe findet sich jedoch nebenan eine wackelige Baubrücke wodurch mir ein längerer Umweg erspart bleibt. Es folgen lautlose 15km bis Fehrbellin durch die nächtliche Brandenburgische Pampa nur mit gelegentlichen Tiergeräuschen, kurz nach Mitternacht ist Neuruppin erreicht. Hier nutze ich eine Parkbank am Bernhard-Brasch-Platz für einen erholsamen Powernap, bis mich nach einer Stunde eine nette Polizeistreife weckt und sich um mein Wohlergehen sorgt. Gegen 2 Uhr sitze ich wieder im Sattel, hau mir einen Energy-Drink rein und bringe den Körper erstmal auf Betriebstemperatur. Der B122 durch die Mecklenburger Seenplatte folgend liegen erinnerungsgetränkte Orte wie Rheinsberg, Zechlinerhütte, Canow und Wustrow auf der Strecke, für die einsamen Abschnitte dazwischen sorgen die Killers für Abwechslung und Motivation, dank der Powerbank auch ohne Sorge um den Handy-Akku.

Viertel 6 taucht nach 330km Wesenberg vor mir im Morgengrauen auf, mit vereinzelten Nebelschwaden auf den Wiesen rund um den Woblitzsee ein durchaus magischer Moment. Über Klein Quassow und Userin sind es nur noch 20km bevor ich eine Stunde später in Neustrelitz wieder eine längere Pause zum Frühstücken einlege. Da im Zentrum noch kein Bäcker geöffnet hat, weiche ich auf die Aral-Tankstelle direkt am nordöstlichen Stadtrand aus. So ein heißer Kaffee und ein lecker Teilchen sind schon was feines am frühen Morgen! Über ein welliges Profil geht es anschließend entlang und teilweise auch aufgrund eines fehlenden Radwegs direkt auf der stark befahrenen B96 nach Neubrandenburg. Beim Netto fülle ich meine Getränkeflaschen erneut auf und esse einen Apfel, es beginnt nun nach gut 370km wieder merklich die Phase des häufigeren Bedarfs den Sattel zu verlassen. Weiter geht die Fahrt mit ein paar kurzen Pausen auf der B197 in einem großen Bogen über Friedland nach Anklam, wo ich mir viertel 12 den Weg durch das Stadtzentrum suche. Der Tacho zeigt mittlerweile 430km, die Sonne wärmt seit ein paar Stunden auch schon kräftig und so langsam rückt die Ostsee-Küste in spürbare Nähe. Auf einer gemütlichen Landstraße durch Rubkow, Hohensee und Wolgast spule ich die letzten 25 Festland-Kilometer ab, dann geht es über die Peenebrücke auf die Insel Usedeom. Jetzt sind es nur noch 10km auf dem Radweg entlang der B111 bis Zinnowitz, ich radle vor zur Seebrücke und punkt 14:30 Uhr öffnet sich vor mir bei schönstem Sonnenschein der Blick auf die Ostsee! Genau für dieses Glücksgefühl hat sich die Tour gelohnt, WAHNSINN! Am Hundestrand finde ich einen Strandabschnitt abseits der Massen, genieße die Erfrischung im Meer, gönne mir ein leckeres Hefeweizen und entspanne beim Rauschen der Wellen im warmen Sand. Am späten Nachmittag checke ich im Usedeom Palace ein, was sich bei der Suche vor einer Woche mit 130 EUR/Nacht noch als günstigste Alternative herausstellte. Morgen lasse ich mich nach einem entspannten Frühstück ab viertel 11 von der Deutschen Bahn mit dem Quer-durchs-Land-Ticket (44EUR) in nur 9h zurück nach Jena befördern, ganz ohne körperliche Beschwerden. Das wird sicherlich nicht meine letzte Ostsee-Radtour gewesen sein!

Tour-Eckdaten

  • Strecke: 470km (1270Hm) zumeist auf Nebenstraßen oder Radwegen
  • Fahrzeit: 23,5h (30h gesamt)
  • Getränke: 7l Wasser-Saft-Gemisch, 4 Kaffee
  • Essen: 10 Proteinriegel, 2 Hamburger+Pommes, 3 Äpfel, Feigen+Pflaumen

Kommentare [2]

  1. Juja schrieb am 25. November 2019, 10:37 [#]

    Völlig verrückt! Sag mal, hast du hiervon schon gehört: https://bueltge.de/thueringen-erfahren/ Ich denke drüber nach, aber hab einen ziemlichen Respekt davor. Für dich wär’s ja vermutlich ein Spaziergang.

  2. Matthi schrieb am 25. November 2019, 23:18 [#]

    @Juja: vielen Dank für den Hinweis auf „Thüringen erfahren“, kannte ich noch nicht aber gefällt mir durchaus, insbesondere das radelnde Eichhörnchen! :) Die Strecke sieht sehr interessant aus, ein paar Abschnitte davon sind mir bekannt. Und die 500km sind ja genau meine Preisklasse, nur die 7000Hm schrecken mich etwas ab. :( Na mal schauen, Ende Mai ist ja noch ein Stückchen hin.