Prolog
Karte zur Strecke von Suwalki bis Rygol (Czarna Hancza) und von Rygol bis Augustow (Augustow-Kanal) mit Biwak-Plätzen (rote Punkte).
Anreise: Jena – Suwalki – Stari Folwark
Nachdem wir in den letzten drei Jahren die Mecklenburgische Seenplatte rund um Wesenberg ausgiebig befahren haben, soll es heuer mal ein neues Ziel sein – die Czarna Hancza ganz im Osten von Polen. Aufgrund der Fahrzeit von fast 24 Stunden starten wir erst am frühen Sonnabend Nachmittag (9.7.) in Jena. Mit dem Wochenendticket für 30 EUR kommen wir bis Rzepin kurz hinter der Grenze, dort warten wir auf unseren Schlafwagen, der mit 2 Stunden Verspätung kommt. Immerhin können wir jetzt bis Warschau gute 5 Stunden schlafen, dort wartet bereits unser Anschlusszug im unterirdischen Hauptbahnhof. Jetzt sind es nochmal 5 Stunden ohne Umsteigen bis Suwalki, kurz nach 12 Uhr Mittag sind wir endlich da! Die gesamte Strecke in Polen inklusive Schlafwagen (Vorbuchung notwendig) kostet bei der DB für zwei Personen 126 EUR. Am Bahnhof wartet bereits Tomek vom Bootsverleih, der uns hilfsbereit erst zum nächsten Supermarkt und dann zum Campingplatz nach Stary Folwark am Wigry-See fährt.
1. Woche: Stari Folwark – Rygol [Czarna Hancza, 65km]
Endlich sind wir am Ausgangspunkt angekommen und können unser Kanu übernehmen (200 EUR für 2 Wochen inkl. Transport). Der Inhalt unserer beiden Rucksäcke muss jetzt noch in die wasserdichten Tonnen verpackt werden, dann sind wir gegen 15 Uhr auch schon startklar und stechen in See. Das erste Stück auf dem See um das Kamedulenkloster Wigry erfordert einige Paddelschläge, doch dann kündigt sich der Abfluss der Czarna Hancza an. Gleich der erste Biwakplatz auf der linken Uferseite liegt sehr idyllisch, da es bereits 17 Uhr ist und uns die Anreise noch in den Knochen steckt bauen wir kurzerhand das Zelt auf. Am Abend sitzen wir gemütlich am Lagerfeuer bei einer Flasche Wein und geröstetem Brot mit Knoblauch. Nach einem weiteren Tag an diesem Platz setzen wir unsere Fahrt fort, bei Sonnenschein und blauem Himmel treiben wir mit der Strömung gemütlich durch Wiesen und Felder. In den wenigen am Fluß gelegenen Ortschaften findet man fast immer einen kleinen urtümlichen Dorfladen. So auch in Maćkowa Ruda, wo wir uns mit frische Lebensmittel eindecken. Bis Buda Ruska verläuft die Strecke grob in östliche Richtung, danach führt die Czarna Hancza in südöstliche Richtung. Gleichzeitig findet ein Wechsel der Landschaft statt, wir tauchen ein in sich selbst überlassene Mischwälder, im Fluß ist streckenweise eine starke Verkrautung zu verzeichnen. Bei der nächsten Ortschaft Wysoki Most befindet sich direkt am Wasser eine PTTK-Station als regulärer Campingplatz. In regelmäßigen Abständen präsentieren sich allerdings am Ufer herrliche Biwakplätze, für die umgerechnet 1 € pro Nacht und Zelt vom vorbeikommenden Bauern eingesammelt wird. Dafür ist die Wiese gemäht und meist liegt Feuerholz bereit. Auf einem solchen Platz in Tartaczysko gibt es sogar leckere frisch gebackene Buchteln, welche uns die Eigentümerin anbietet. Zudem kann man sogar ein paar Züge gegen die Strömung schwimmen, hier lässt es sich leben. Anschließend wird es bei Fracki etwas belebter, eine größere Landstraße quert den Fluß und der Ort besitzt auch eine Tankstelle – wieder eine gute Gelegenheit die Reserven an frischen Lebensmitteln aufzufüllen. Nach ein paar Flußbiegungen wandelt sich wieder das Landschaftsbild, der Wald weicht ausgedehnten bewirtschafteten Wiesen. Rund um den Ort Hancza fährt man immer unterhalb der Sichtkante durch’s Schilf, hier tummeln sich auch viele Stechfliegen und Mücken. Nach dem Biwak bei Dworczysko umfängt uns wieder der Wald, nicht selten liegen umgestürzte Bäume quer im Wasser und lassen nur einen kleinen Durchfahrtsweg offen – Achtung bei gegen die Strömung stehenden Ästen! Nach gut 65km und 6 Tagen seit dem Start im Wigry-See erreichen wir Rygol, den östlichsten Punkt unserer Tour. Im weiteren Verlauf führt der Fluß nach Weißrussland, wir folgen aber dem Augustow-Kanal nach Westen.
2. Woche: Rygol – Augustow [Augustow-Kanal, 31km]
Nach einem Ruhetag in Rygol packen wir unsere Sachen wieder in die Tonnen und das Kanu und setzen nun die Reise auf dem Augustow-Kanal fort. Damit ist die Zeit des Dahintreibens in der Strömung vorbei, zudem kommen wir in stärker besiedelte und touristisch erschlossenere Gebiete – good bye romance. Doch bereits an der Schleuse in Mikaszowka ist ein Besuch der Holzkirche im Ort empfehlenswert. Die Gebühr zur Schleusendurchfahrt beträgt rund 1 EUR, oft werden auch gleich frische Buchteln oder andere Leckereien verkauft. Die meisten Kanäle sind nicht länger als 1km, im Anschluss paddelt man über einen mehr oder weniger großen See auf der Suche nach der nächsten Kanaleinfahrt. Viel spannender ist am Ende des Tages die Frage eines schönen Biwaks. Nach der Schleuse Paniewo ergibt sich auf der rechten Seeseite eine Möglichkeit, allerdings bis zum Abend mit der Nutzung als Badestelle verbunden. Auf der nächsten Etappe gibt es an der Schleuse Gorczyca die Möglichkeit in Plaska den Konsum aufzusuchen, allerdings ist das ein Fußweg von mindestens 2km. Fährt man ein Stückchen weiter durch einen teilweise stark verkrauteten See, kann man immerhin an einer PTTK-Station frisches Wasser auftanken. Bevor der anschließende Kanal schnurgerade und sehr lang wird, gibt es einen wunderbar ruhig gelegenen Biwak direkt am Abwzeig zum See Serwy. Am Abend dann ein Brot mit Frischkäse, Tomaten und Zwiebeln am fast schon obligatorischen Lagerfeuer – was will man mehr! Nach dem endlos langen Kanal und der folgenden Schleuse Swoboda wird es richtig belebt um Przewiez, am nächsten See befinden sich bereits die ersten Ausläufer von Augustow sowie der Bahnhof an der Bahnstrecke Richtung Bialystok. Auf einer freien Wiesenfläche bauen wir unser Zelt auf und spazieren ins gut gepflegte und abwechslungsreiche Zentrum von Augustow. Am nächsten Tag rufen wir Tomek an und lassen das Kanu abholen, bevor wir am späten Nachmittag wieder vollbepackt in unseren Zug nach Warschau steigen.
Abreise: Augustow – Jena
In der Hauptstadt kommen wir gegen 21 Uhr an, unser Schlafwagenzug nach Berlin fährt erst zwei Stunden später. Die Zeit überbrücken wir durch Ausgabe der letzten Zloty und mit Lesen. Im 3er-Zugabteil wird es dann ordentlich eng mit unserem gesamten Gepäck, hier empfiehlt sich die Buchung eines Platzes im Schlafwagen statt Liegewagen oder der Mitkauf der dritten Liege. Auf der Hinfahrt blieb der dritte Platz glücklicherweise bis Warschau frei, jetzt müssen wir mit unserem Gepäck kuscheln. Leicht verschlafen und aufgekratzt kommen wir am frühen Morgen in Berlin an und schlagen uns nun mit dem Wochenend-Ticket und vielen anderen Reiselustigen durch die Republik zurück nach Jena. Jetzt erstmal schön in Ruhe ausschlafen und von der Idylle an der Czarna Hancza träumen … und wir kommen natürlich wieder!