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Glücksmomente
Bootstour Czarna Hancza
  1. August 2020      2 Kommentare

Prolog


OpenStreetMap und Mitwirkende, CC-BY-SA]
Nach Strand und Bergen in den letzten Urlauben wollen wir diesen Sommer paddeln, diese Gelegenheit nutzen wir natürlich um nach fünf Jahren mal wieder der geliebten Czarna Hancza einen Besuch abzustatten. Mit von der Partie sind Martin, Kathleen und die Mädels, auch die Corona-bedingt geschlossene Grenze zu Polen wird zum Glück rechtzeitig geöffnet. Am Freitag kommen wir nach dem Frühstück halb 10 im Enterprise-Mietwagen los. Leider hält die Strecke auf der A4 und S8 über Dresden, Breslau, Lodz und Warschau ein paar Staus und Verzögerungen parat, sodass wir erst am späten Abend nach 12 Stunden unser Übernachtungsziel in Ostrów Mazowiecka erreichen. Morgen sind es dann nochmal zwei Stunden auf der gerade im Ausbau befindlichen S61 bis Augustow, dann ist es nicht mehr weit zum Startpunkt unserer Paddeltour.

Samstag, 01.08.: Bryzgiel – Jezioro Wigry – Mikolajewo [18km]


Gegen 11 Uhr sind wir in Augustow und laufen dort Martin im Kaufland über den Weg. Gut versorgt für die ersten Tage geht es nun noch 40min durch Augustow Urwald, kurz vor 13 Uhr treffen wir dann endlich nach 1.100km bei unserem Kanuvermieter AS-Tour in Mackowa Ruda ein. Für 300 EUR bekommen wir hier drei Kanadier mit insgesamt sieben Tonnen inklusive Transport. Jetzt also Klamotten, Schläfsacke und Essen in den Tonnen verstauen, Zelte und Isomatten dazu und schon kann es losgehen. Auf rumpeligen und staubtrockenen Waldwegen werden wir nach Bryzgiel ans Südufer des Wigry-Sees gebracht. Das Umladen geht dann schnell und so sitzen wir halb 3 in den Booten, jetzt beginnt die Entspannung! Zunächst geht es für 4km in nordöstliche Richtung, dann wendet sich der See hinter einer Landnase nach Nordwesten. Wir nehmen das Kinder-Kanu ins Schlepptau da es nun permanent gegen den Wind geht. Kurz vor dem Abfluss der Czarna Hancza am Kamaldulenser-Kloster flüchten wir jedoch ins Schilf und suchen Schutz vor den aufgepeitschten Wellen und dem stark auffrischenden Wind einer durchziehenden Unwetterzelle. Nach einer halben Stunde können wir die Fahrt fortsetzen, kräftige Paddelschläge bringen etwas Wärme in die vom Regenschauer abgekühlten Körper. Leider ist unser traditionell erster Biwakplatz voll belegt mit Zelten und Autos, hier ist es vorbei mit Ruhe und Einsamkeit. Also fahren wir weiter mit der Gewissheit, dass noch einige schöne Plätze folgen. Doch diese sind mittlerweile nicht mehr zum Camping freigegeben, herje! Der Tag verschwindet nun zusehends, es ist bereits 19 Uhr als wir unsere Zelte trotz eines „Teren Prywatny“-Schild an einer geeigneten Stelle aufschlagen. Wie sich rausstellt, ist die Übernachtung kein Problem als eine halbe Stunde später der Besitzer kommt und pro Person 10 Zloty (2 EUR) haben will. Nach dieser anstrengenden und langen ersten Etappe gibt es zum Abendessen Nudeln mit Würstchen und Tomatensoße, zwei mit uns hier gestrandete junge Pärchen entfachen sogar ein kleines Lagerfeuer.

Sonntag, 02.08.: Mikolajewo – Mackowa Ruda [5km]


Nach einer sehr erholsamen ersten Nacht im Zelt beginnt der Tag halb 9, die Sonne lacht und mit einem Sprung vom Steg sind alle Sinne sofort wach! An der Raufe haben wir zu acht gut Platz beim Frühstück mit Kaffee, Tee, Obst und Marmeladen-Brot. Anschließend die Schlafsäcke in die Tonne stopfen, Isomatten einrollen und Zelte abbauen, die Handgriffe sitzen sofort wieder. Beim Einpacken der Boote landen schon erste Gruppen für eine Pause an und auch auf dem Fluss ist ziemlich viel los als wir halb 12 aufbrechen. Ganz entspannt treiben wir in der Strömung noch ein Stück gen Osten, bevor sich die Czarna Hancza in einer langgezogenen 180°-Schleife vollständig nach Süden wendet. Gut eine Stunde nach Start erwartet uns das erste kulinarische Highlight der Tour: am wohlbekannten Steg mit rotem Sonnenschirm werden Heidelbeer-Buchteln (poln. Jagodzianki) und Gehacktes-Piroggen verkauft, lecker! Auch wenn hier der Charme der vergangenen Jahre durch die Masse an Booten gelitten hat, lohnt sich der Stop auf jeden Fall. Weiter geht es mit Puderzucker im Mundwinkel und Sonne im Gesicht noch eine knappe Stunde auf einem etwas ruhigeren Flußabschnitt mit viel Schilf und Seerosen, 14 Uhr ist dann bereits Mackowa Ruda erreicht wo wir gestern die Autos geparkt haben. Wir beschließen nach der gestrigen Etappe heute mal kürzer zu treten und landen am ersten Pole Namiotowe direkt nach der Schilf-Durchfahrt an. Auf der großen Wiese gibt es genügend Platz, am Hang findet sich ein Plumpsklo und neben Lagerfeuer-Holz wird auch Strom zum Handy-Laden bereitgestellt, was für ein Luxus. Allerdings werden dafür auch 15 EUR/Familie abkassiert, vor fünf Jahren waren das noch 30 PLN/Zelt. Nach Zeltaufbau und Badegenuss schauen beim Kiosk im Dorf für Eis, Kaffee und Kuchen vorbei. Genussvoll geht es am Abend mit Frischkäse-Tomatenbrot weiter, bevor wir den Tag am Lagerfeuer mit Würstchen, Glut-Kartoffeln und Weinchen einfach nur entspannt ausklingen lassen.

Montag, 03.08.: Mackowa Ruda – Sarnetki [9km]


Arthur schläft bis halb 8, dann sind seine Lebensgeister geweckt und damit auch unsere. Ein paar Pixie-Bücher später stehen wir auf, draußen lacht schon die Sonne und erwärmt zusehends die Morgenluft. Nach dem Frühstück schippern die Kinder im leeren Kanu rum während wir die Zelte ausräumen und die Tonnen bepacken. Gegen 11 Uhr sind wir auf dem Wasser und folgen dem Flusslauf zunächst in nördliche Richtung vorbei an einigen weiteren wunderschönen Biwakplätzen. Bei Buda Ruska ändert die Czarna Hancza ein letztes Mal komplett ihren Verlauf, ab sofort werden wir bis Rygol von vorne geröstet. Es folgt nun ein relativ strömungsarmer und stark verkrauteter Abschnitt bis Wysoki Most, da müssen die Paddel mal etwas kraftvoller eingesetzt werden. Unterwegs findet sich beim Camping Gremzdówka wieder ein Buchtel-Verkauf vom Steg, an diesen leckeren Mittagssnack könnte ich mich gewöhnen! Nach dem zwei Kilometer langen Waldabschnitt beginnen wir bei Studziany Las so langsam mit der Suche nach unserem heutigen Biwakplatz und werden am Ende des kurvigen Schilfabschnitts gegen 15 Uhr kurz vor der Brücke nach Sarnetki fündig. Wie gestern haben wir eine gemähte Wiese, Feuerstelle mit Feuerholz und überdachte Raufe ganz für uns allein (40 PLN/Familie). Also Zelt aufbauen, einräumen, Bier im Wasser kalt stellen und den restlichen Nachmittag entspannen. Am Abend kann es Arthur kaum erwarten endlich das Lagerfeuer zu entzünden, verträumt schauen wir den Funken hinterher während in der Glut die Kartoffeln garen.

Dienstag, 04.08.: Sarnetki – Tartaczysko [4km]


Beim Muntermacher-Sprung in die Czarna Hancza und zum Frühstück gegen 9 Uhr scheint noch die Sonne, doch von Westen ziehen schon kompaktere Wolken-Formationen heran. Trotzdem packen wir alles wie gewohnt zusammen und sitzen bereits 11 Uhr im Kanu. Zwei Kilometer später beginnt es bei Gulbin an der alten Eisenbahnbrücke zu nieseln und ein paar Fluss-Biegungen später landen wir zur Mittagszeit in Tartaczysko am Traditions-Biwak an. Als sich immer mehr ein dauerhafter Landregen auch auf den Wetter-Apps abzeichnet, beschließen wir für heute hier zu bleiben und bauen schnell die Zelte auf (50 PLN/Familie). Gut geschützt unter der Raufe gibt es anschließend einen wärmenden Asia-Nudelsnack, bevor wir den restlichen Nachmittag in den Zelten beim Spielen und Lesen verbringen. Währenddessen schüttet es zeitweise richtig viel Wasser vom Himmel, sodass die Wiese unter uns bald einen sumpfigen Charakter bekommt und wir nochmal zum Umsetzen gezwungen werden, um dem durchdrückenden Wasser zu entfliehen. Für das Abendessen mit Reis, Letscho und Rotwein kapern wir gegen 19 Uhr die Veranda des unbewohnten Bungalows, hier ist es wenigestens trocken. Danach geht es heute mal ohne Lagerfeuer zeitig ins Bett.

Mittwoch, 05.08.: Tartaczysko – Dworczysko [13km]


Leider ist Arthurs Schlafbedarf begrenzt und da wir gestern sehr zeitig im Bett lagen, beginnt der neue Tag schon halb 7. Immerhin hat sich das Regengebiet verzogen, so langsam kommt die Sonne über die Bäume und trocknet unsere Zelte. Gemeinsam mit Arthur erkunde ich die nähere Umgebung, wir füllen alle Wasser-Kanister auf und waschen das Geschirr vom Abendessen ab. Zum Frühstück gegen 9 Uhr gibt es neben Tee, Kaffee, Obst und Marmeladenbrot noch die zweite Hälfte eines kompletten Buchtel-Bleches, welches uns die Vermieterin gestern frisch gebacken hatte (16 Buchteln für 56 PLN), was für ein Genuss! Beim Ablegen zwei Stunden später ist es schon wieder so warm, dass ich vorher fix ins Wasser springe. Nach ein paar Paddelschläge überspannt vor uns schon die Brücke der DK16 die Czarna Hancza, wir legen an und füllen im Sklep von Fracki unsere Vorräte an Brot, Obst, Gemüse und Wein auf. Anschließend schippern wir die nächsten vier Stunden sehr gemütlich durch abwechslungsreiche Landschaft, mal durch einen naturbelassenen Waldabschnitt mit engen Kurven und sandigen Steilufern, dann wieder in gemächlichen Schleifen durch eine großflächige Schilfebene. Allerdings gibt es hier im Schilf so gut wie keine Biwak-Möglichkeiten und die Spannung wächst, ob sich noch vor dem Urwald etwas ergibt. Doch gegen halb 5 liegt auf der linken Seite unterhalb der Siedlung Muly bei Dworczysko ein wunderschöner Platz, wir legen an und bauen die Zelte auf. Neben einer Reihe an Toiletten-Häuschen und einer Feuerstelle mit Schwenkgrill wird sogar ein großzügiger Unterstand mit einigen Tischen und Bänken geboten (40 PLN/Familie). Bevor die Sonne hinter den Bäumen verschwindet, nutzen wir natürlich nochmal die Gelegenheit zum erfrischenden Bad. Im angrenzenden Wald findet sich dann auch genügend Feuerholz, sodass der Abend wieder mit leckeren Kartoffeln, Würstchen und Wein einen würdigen Abschluss findet.

Donnerstag, 06.08.: Dworczysko – Rygol [11km]


Seit dem Sonnenaufgang werden unsere Zelte im direkten Strahlengang langsam aufgeheizt und so öffnen sich gegen 8 Uhr die Reißverschlüsse, für das Frühstück ist der Unterstand als riesiger Sonnenschirm sehr willkommen. Beim anschließenden Abwasch, Zeltabbau und Beladen der Kanus sitzen die Handgriffe mittlerweile blind, halb 12 sind wir startklar zur letzten Etappe. Bis zur Brücke kommen wir noch an zwei weiteren Biwak-Gelegenheiten vorbei, dann spült uns die Czarna Hancza in den Urwald. Hier ist jetzt auf knapp 10km mit einigen quer liegenden Bäumen und gegen die Fließrichtung stehenden Ästen zu rechnen, in vielen Fällen auch inmitten der strömungsreichen Kurven und Flussbiegungen. Da heißt es Augen auf und schnell die Ausweichmanöver einleiten, gleichzeitig ist die Aufmerksamkeit jedoch aufgrund der traumhaften und abenteuerlichen Landschaft stark eingeschränkt. Zudem sind auf diesem Abschnitt wieder jede Menge Tagesausflügler unterwegs, doch wir kommen inklusive einer kleinen Mittagspause ohne Kentern durch. Hinter einem umgebauten ehemaligen Campingplatz lichtet sich der Wald und ein paar Biegungen später erreichen wir kurz vor 15 Uhr den Biwak an der Försterei in Rygol. Nachdem die Zelte stehen (kostenfrei!) und wir ausgiebig gebadet haben, laufen wir 2km durch Rygol in Richtung weißrussische Grenze zum Sklep. Dort können wir unsere letzten Versorgungs-Lücken schließen, auch wenn im Laden mit Balkenwaage und analoger Registrierkasse die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, herrlich. Felix hat in der Zwischenzeit einiges Feuerholz gesammelt und so können wir auch am letzten Abend ein knisterndes Lagerfeuer unterm sternenklaren Nachthimmel genießen, inklusive wunderbarer mehrstimmiger Gesangseinlagen einer polnischen Camping-Gruppe die sich zu uns ans Feuer gesellt.

Freitag, 07.08.: Abholung/Rückfahrt


Die Stelle zur Abholung befindet sich in Rygol direkt hinter der Brücke nach dem Abzweig zum Augustow-Kanal, das sind nicht mal 10 Minuten auf dem Fluss. Da unser Vermieter erst gegen halb 12 kommt, können wir den Tag ganz enstpannt beginnen. Selbst eine ausgedehnte Bade-Session ist nach dem Frühstück und Zeltabbau noch drin, bevor wir ein letztes Mal die Kanus ins Wasser bringen. Im Transporter geht die Fahrt über Plaske und Fracki zurück nach Mackowa Ruda, dort müssen die Tonnen nun wieder umgepackt werden. Während Martin und Familie auf direktem Weg nach Hause fahren, starten wir gegen 13 Uhr auf unsere zweitägige Rückreise durch den Norden von Polen mit Zwischenstops in Olsztyn, Malbork und Jastrowie. Trotz der enormen Anfahrt und ersten Ansätzen von Overtourism werden wir wohl nicht zum letzten Mal hier gewesen sein, die Czarna Hancza hat uns einfach in ihren Bann gezogen…

Kommentare [2]

  1. Martin schrieb am 6. September 2020, 21:30 [#]

    Es war wirklich eine tolle Bootstour und der Fluss noch sehr unberührt – mit einem wirklich klaren erfrischendem Wasser! Und die Buchteln allein sind schon die lange Anreise wert :-)
    Danke dass ihr uns mitgenommen habt!!!

  2. Matthi schrieb am 7. September 2020, 11:04 [#]

    @Martin: ihr seid herzlich eingeladen irgendwann mal wieder mit uns auf Buchtel-Tour zu gehen! ;-)